Alles zugleich und nacheinander

In Stuttgart geboren, wuchs ich ab meinem zweiten Lebensjahr in München auf und bin seitdem eine leidenschaftliche Münchnerin geblieben. Nach der Schule absolvierte ich ein zweijähriges, Schauspielstudium, bekam ein Engagement an das Residenztheater Wiesbaden und – wieder in München – arbeitete ich als Sprecherin in Unterhaltungs- und Kindersendungen am Rundfunk. Es entstanden die ersten Erzählungen, nicht zuletzt angeregt durch meinen Mann, den Münchner Journalisten Kurt Preis, den ich bei Kriegsanfang geheiratet hatte.

Während des Krieges wandte ich mich mehr und mehr vom Theater ab und der bildenden Kunst zu. Von 1940 bis 1944 besuchte ich die Bildhauerklasse der Münchner Akademie. Im März 1945 kam meine Tochter Ursula zur Welt.

Der Weg zum Pumuckl

Bis zur Währungsreform arbeitete ich als Bildhauerin, hauptsächlich als Porträtistin. Zwischendurch schrieb ich Erzählungen. Zufällig lernte ich Kurt Wilhelm kennen, der die Unterhaltungsabteilung des BR leitete. Er lud mich zu einer Redaktionssitzung ein und damit begann völlig zwanglos die dritte Berufsepoche, die der Schriftstellerin Ellis Kaut. Von da an also Mitarbeit an Unterhaltungssendungen, Hörspielen (Hörspielpreis 1953), und Kinderfunksendungen. Der Weg zum Pumuckl war geöffnet, auch wenn noch niemand etwas davon ahnte.

Die „Geburt“ des Pumuckl

Die Frage, die immer und immer wieder an mich gestellt wird, lautet: „Wie sind Sie auf den Pumuckl gekommen?“ Die Antwort ist ebenso einfach wie auch kompliziert. Zuerst das: Geschichten erfinden zu können ist schlicht eine Begabung wie Singen, Tanzen und Wolkenkratzer bauen. Das allerdings muss dann geübt werden und dazu hatte ich reichlich Gelegenheit und zwar mit den „Geschichten vom Kater Musch“, einer Sendereihe für den Kinderfunk des Bayerischen Rundfunks. Ich schrieb 7 Jahre lang etwa 120 Hörspiele von dieser Katze, die sprechen kann, sich aber weigert, mit jemand anderem zu sprechen als mit „ihrem“ Tonerl. Der allerdings musste dann das auslöffeln, was Musch glaubte gehört und erlebt zu haben. Die Geschichten endeten 1962, weil der Darsteller des „Tonerl“ Intendant in Freiburg wurde und eben keine Zeit mehr hatte für eine Katze namens Musch.

Und jetzt wird es komplizierter. Es wurde also eine neue Serie gebraucht. Man suchte sie vergeblich, ungefähr ein halbes Jahr lang. Und es war, wie es oft bei der Sucherei ist: das Gesuchte liegt eigentlich ziemlich nah. Was hatte mein Mann im Skiurlaub lachend zu mir gesagt, als ich ihn „heimtückisch“ mit Schnee bewarf? „Du bist ein rechter Pumuckl!“ Ich habe ihn nicht gefragt, was und wie ein Pumuckl denn sei. Aber Frau Franck, die Leiterin des Kinderfunks, wollte es wissen. Und dann begann ich eben zu erzählen. Da hatte ich doch einen (echten) alten Schreiner beauftragt, mir ein Regal zu machen, nun, der wohnte und arbeitete in einem kleinen Hinterhaus, und dort stand eine Kastanie, und – und- nun ja, dieser Schreinermeister hatte sicher einen Kobold! Die erste Pumucklsendung lief 1962. Ich schickte „meinem“ Schreinermeister, der nicht Eder hieß, eine Kopie des ersten Manuskriptes. Er hat es sorgfältig aufgehoben und weitervererbt.

Pumucklhörspiele

1962 spielte noch nicht das Fernsehen die Hauptrolle in der Unterhaltung, sondern das Radio und damit das Hörspiel. Ich schrieb bis 1971 rund 90 Pumucklhörspiele, ab 1956 erschienen dazu die Pumucklbücher insgesamt 11 Bände, und rund 50 Schallplatten, (später CDs, MCs usw.), der Pumuckl ließ mich kaum zu Atem kommen, er war allgegenwärtig. Dazu kamen viele Lesungen, Kinderwettbewerbe, Fanclubs, auch Ehrungen, goldene Schallplatten. Und doch scheine ich zwischen 1970 und 1980 ein wenig Luft bekommen zu haben – und eine Art Abneigung gegen die Schreibmaschine – mich faszinierte die Fotografie. Ich nahm einen Kurs bei AGFA, trat einem Fotoclub bei, begann eine Fotolehre.

Abschied vom Pumuckl?

Es muss das Jahr 1971 gewesen sein, da hatte ich, zusammen mit Musch und Pumuckl über 200 Hörspiele geschrieben, ungefähr 17 Jahre lang. Ich entwickelte allmählich eine Art Allergie gegen die Schreibmaschine, und beschloss aufzuhören. An Weihnachten sollte der letzte, noch von mir zu schreibende Pumuckl gesendet werden. Es sollte auf keinen Fall ein trauriger Abschied sein, sondern ein heiter-besinnlicher. Ich hatte auch schon eine – eigentlich nahe liegende Idee: Pumuckl findet einen Klabauterfreund und kehrt mit ihm glücklich zurück in das Reich der Klabauter. Meister Eder bleibt zufrieden in seiner Werkstatt in der Erkenntnis, dass Klabauter wie Kinder, die erwachsen werden, ihre eigenen Weg gehen, ja gehen müssen. Und außerdem wird ihm in seinem doch schon hohen Alter ein wenig Ruhe gut tun. Keinerlei Sentimentalitäten, bitte. Sendezeit am zweiten Weihnachtsfeiertag, 14 Uhr. Ich weiß nicht mehr, wo ich am 2. Weihnachtsfeiertag eingeladen war. Jedenfalls konnte ich mir die Sendung nicht anhören.

Mein Mann blieb zuhause und schnitt die Aufnahme mit. Ich traf ihn bei mir Rückkehr völlig genervt an. Einem telefonischen Proteststurm sondergleichen war er ausgesetzt gewesen, „Ihr Pumucklmörder!“ hat man ihn angeschrieen. Kinder haben am Telefon geweint, Mütter sich entrüstet beschwert. Es durfte einfach nicht sein, dass Eder und Pumuckl sich trennen. Ähnliches wurde mir auch vom Rundfunk erzählt und vor allem: unzählige Briefe gingen dort ein. Der Ansturm war derart, dass weder der Kinderfunk noch ich es wagten, diese Sendung auch nur noch einmal zu wiederholen. Und in meinen Büchern hab ich diese Geschichte dahingehend abgeändert, dass der Klabauterfreund keine Macht über den Pumuckl bekommt und Eder mit ihm in die Werkstatt zurückkehrt.

Schreiben – wann und wie? Viel gefragt. Versuch, zu antworten.

Ich bin ein reiner Vormittagsarbeiter, am besten so von 10 Uhr bis 14 Uhr. Ich schreibe ziemlich schnell direkt in die Maschine, Lösung für schwierige Passagen finde ich am besten gleich nach dem Aufwachen. Auch Gespräche können sehr hilfsreich sein. Ich schreibe nie für ein bestimmtes Alter. Ich denke, dass auch der Pumuckl nicht nur Kindern etwas sagen kann. Auch nicht, wenn die Pädagogik eine Rolle spielt. Diese Pädagogik ist meistens in einer Komik versteckt, jedenfalls gebe ich mir Mühe, sie so leise wie nur möglich auftreten zu lassen. Ich kann nicht sagen, ob ich mir beim Schreiben einen Leser vorstelle. Ich glaube, ich stelle mir ausschließlich das vor, was ich schreibe. Das ist beim Pumuckl allerdings so intensiv, dass ich behaupten möchte, ich sähe und hörte einfach zu und schriebe eben „mit“.

Schreiben ist für mich keine Beschäftigung, die glücklich macht. Das „Werk“ ist zunächst nichts weiter als ein beschriebenes Stück Papier , das dem reinen Betrachter nichts bringt. Es aufzuhängen , um sich im daran zu erfreuen wäre lächerlich. Auch ein ganzer Stapel beschriebenen Papiers bewegt nicht das Herz, nicht einmal Stolz auf die Leistung kommt auf, höchstens Erleichterung, dass man sich eine Pause gönnen darf. Das mag anderen Schriftstellern anders ergehen, eine Kollegin bekannte einmal „Schreiben und atmen ist für mich eines“. Ich schämte mich ein wenig und ich verkniff mir zu bekennen, dass ich viel leichter atme, wenn ich nicht schreibe.

Und das ist vielleicht auch der Grund, dass „es“ mich immer gezwungen hat viel anderes zu tun – Modellieren, Malen, Fotografieren zum Beispiel: